Ist die Glücksforschung esoterisch?
Dies ist der Vorwurf, der in der Praxis vielleicht sogar am schwersten wiegt, denn wie soll eine Disziplin vorankommen, wenn sie von vorne herein nicht ernst genommen wird?
Positive Psychologie vs. Positives Denken
Die heutige Glücksforschung geht auf den US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman zurück. Dieser erkannte Ende der 90er Jahre, dass wir zwar schon vieles über die negativen Seiten des Menschseins erfahren haben, jedoch so gut wie gar nichts über die positiven Seiten wussten.
Die akademische Psychologie hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt vorrangig mit der Heilung psychischer Störungen, der Therapie von Mängeln oder den sozialpsychologischen Aspekten von Vorurteilen, Rassismus und Aggressionen beschäftigt.
Dies sollte sich im Rahmen der Positiven Psychologie in den nächsten Jahren ändern. Neu war daran insbesondere das Bemühen, nicht länger nur über das Glück und verwandte Themen zu spekulieren, sondern dieses tatsächlich auch anhand von konkreten Studien und Datenerhebungen wissenschaftlich zu überprüfen.
Von der Positiven Psychologie abzugrenzen ist die Lehre des Positiven Denkens. Diese beruht auf der Überzeugung, dass Dinge, die man für „wahr“ hält, sich auch so verwirklichen.
„Glaube an deinen Erfolg und du wirst Erfolg haben“, prophezeien ihre Anhänger. Dabei basiert die Lehre nicht auf wissenschaftlichen Befunden und es gibt keine Informationen darüber, für wen dieses Prinzip wann unter welchen Bedingungen hilfreich oder sogar gefährlich sein kann.
Glücksforscher vs. Glücksguru
Kaum hört man Sätze wie „Optimisten sind erfolgreicher und kreativer“ gehen bei vielen Menschen die Warnlichter an.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Tonnen Ratgeberliteratur in den Selbsthilfeabteilungen der Buchhandlungen ihre Heilsversprechen in die Welt schicken. Heilsversprechen, die niemals wissenschaftlich überprüft wurden.
Parolen wie: „Lächeln Sie, und die Welt wird mit Ihnen lächeln“, „think positive“, „du kannst alles“ oder „das Universum hört zu“ versprechen einem das Blaue vom Himmel, wenn man nur das entsprechende Buch kauft, das Training bezahlt oder in das besondere Vorteilsangebot der gesamten Buchreihe investiert.
Die Berufsbezeichnungen Coach oder Trainer sind in Deutschland keine geschützten Begriffe. Jeder darf sich so nennen und seine positive Affirmationen und Suggestionen in der Welt verbreiten.
Und so überfluten zahlreiche Motivationscoaches, Hobby-Therapeuten und selbst ernannte Experten aller Art den Markt mit oft zweifelhaften Angeboten. Mit dem Ergebnis, dass jegliche Tätigkeit in diesem Bereich einen fahlen Nachgeschmack hinterlässt.
Und was lernen wir daraus?
Glücklich zu sein ist für die meisten Menschen von hoher Wichtigkeit und für viele sogar das zentrale Lebensziel. Doch wie glücklich werden?
Bis vor wenigen Jahrzehnten mussten sich Ratsuchende an die Selbsthilfeabteilungen der Buchhandlungen wenden mit dem Ergebnis, häufig Scharlatanen auferlegen zu sein, die ihnen die absurdesten Theorien und Glaubenssätze weismachen wollten.
Da ist es eine willkommene Abwechslung, dass auf dem Gebiet der Glücksforschung seit Ende der 90er Jahre auch zahlreiche Psychologen, Soziologen und Ökonomen versuchen, echte Erkenntnisse mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden zu erreichen.
Natürlich sollte man auch den wissenschaftlichen Befunden nicht unreflektiert Glauben schenken, denn oftmals verändert sich unser Wissen über die Jahre. Aber es kann einen einigermaßen sicheren Anhaltspunkt geben, insbesondere, wenn viele Wissenschaftler unabhängig voneinander, immer wieder zu den gleichen Erkenntnissen gelangen.
Und was die Glücksgurus anbelangt: Spätestens wenn euch jemand ernsthaft den folgenden Satz nahe legen möchte, den ich bei meiner Recherche tatsächlich gefunden habe, sollten sämtliche Warnleuchten anspringen: „Positives Denken ist die Lösung aller Probleme der Menschheit und der Welt!“
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